Im alltäglichen Gebrauch wird der Begriff des Feminismus oft sehr allgemein und unspezifisch verwendet. Doch im Bereich des Feminismus gibt es sehr viele Strömungen und Theorien, die auch sehr unterschiedliche Perspektiven auf den Feminismus einnehmen. Wir stellen Euch im Folgenden die wichtigsten feministischen Strömungen vor.
1. Der Differenzfeminismus
Bei dieser Strömung des Feminismus steht die Verschiedenheit der Geschlechter im Fokus. Im Gegensatz zum Gleichheitsfeminismus sollen Frauen und Männer also unterschiedlich, und zwar auf ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt, behandelt werden. Der Fokus auf Gleichheit zwischen den Geschlechtern wird daher eher kritisch betrachtet, da es nach dem Differenzfeminismus die Gleichheit in dieser Form nicht gibt. Es geht also mehr um die Beendigung der Unterdrückung der Frau, indem auch die speziellen Bedürfnisse und Kompetenz der Frau anerkannt werden.
2. Gleichheitsfeminismus
Im Gegensatz dazu sehen die Vertreter*innen des Gleichheitsfeminismus das Ziel in der Gleichstellung der Geschlechter. Dabei wird sich nicht auf das biologische, sondern auf das soziale Geschlecht (Gender) konzentriert und die Unterschiede zwischen Mann und Frau in Bezug auf Rollen, Stand in der Gesellschaft oder auch Fähigkeiten auf die unterschiedliche Sozialisation der beiden Geschlechter zurückgeführt, die als überwindbar gelten.
3. Der Mainstream-Feminismus
Der Mainstream-Feminismus entstand aus den Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhundert und trägt Themen wie sexuelle Diskriminierung oder zum Beispiel Lohnungleichheit aufgrund des Geschlechts an die gesellschaftliche Öffentlichkeit. Es ist dadurch auch die Form des Feminismus, die den meisten Menschen bekannt ist, da dieser mit globalen Kampagnen wie #metoo in Verbindung gebracht wird und sich dadurch auch zu einer gewissen Trendbewegung innerhalb der Gesellschaft entwickelt hat. Dieser Aspekt ist gleichzeitig auch der größte Kritikpunkt, da dem Mainstream-Feminismus vorgeworfen wird, sich von den grundlegenden Problemen, gegen die der Feminismus kämpft, zu entfernen.
4. Der intersektionale Feminismus
Diese Strömung des Feminismus hat sich aus dem Black-Feminismus entwickelt und nimmt nicht nur die Unterdrückung aufgrund des Geschlechts in den Blick, sondern auch andere Arten der Unterdrückung. Intersektional steht dabei für diese Überschneidung der Formen der Unterdrückung, die eine Frau in ihrem Alltag erleben kann. Beispiele hierfür sind die Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Sexualität, Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit bestimmten Beeinträchtigungen oder auch Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit.
5. Queer-Feminismus
Queer-Feminismus beschäftigt sich vor allem mit der Aufbrechung der Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität und sieht das biologische Geschlecht als gesellschaftlich konstruiert an. Das bedeutet, dass das Geschlecht durch soziale Normen geprägt ist und es nicht nur die Geschlechter Mann und Frau (Zweigeschlechtlichkeit) gibt, sondern andere Formen sowohl von Geschlecht als auch von sexueller Orientierung (nicht nur Heterosexualität), die in der Gesellschaft anerkannt werden müssen. Der Queer-Feminismus kämpft also nicht für „die Frau“, sondern gegen die Geschlechternormen innerhalb unseres gesellschaftlichen Systems.
6. Black-Feminismus
Entstanden in den 1960er Jahren während der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der zweiten Feminismuswelle, vertritt und kämpft diese Strömung des Feminismus vor allem für die Rechte von Schwarzen Frauen. Schwarze Frauen fanden in keiner der beiden genannten Bewegung einen Platz, da in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung Frauen generell weniger beachtet wurden und die zweite Feminismuswelle hauptsächlich unter den Interessen weißer Frauen aus der Mittelklasse geführt wurde. Deshalb stellt der Black-Feminismus vor allem die Überschneidung von Rassismus und Feminismus in den Vordergrund.
7. Marxistischer Feminismus
Der marxistische Feminismus verbindet die Unterdrückung der Frau nicht nur mit dem Patriarchat, sondern auch mit dem Kapitalismus und verwendet grundlegende Ansichten des Philosophen Karl Marx und seiner Kapitalismuskritik. Ein wichtiges Thema ist dabei zum Beispiel die unbezahlte Haus- und Reproduktionsarbeit der Frau.
8. Öko-Feminismus
Der Öko-Feminismus entstand in den 1970er Jahren und zieht eine Verbindung zwischen Feminismus und Umweltschutzfragen. Der Ökofeminismus vertritt die Position, dass ökologische Probleme aus einer feministischen Perspektive und feministische Theorien auch eine ökologische Perspektive einschließen sollten. Das Ziel ist dabei die Beendigung der Ausbeutung der Natur und der Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft.
9. Sexpositiver Feminismus
Bei dieser Strömung des Feminismus steht vor allem die sexuelle Freiheit als zentraler Teil der Emanzipation im Vordergrund. Dabei wird, im Gegensatz zu traditionellen Theorien des Feminismus, Pornographie, Sexarbeit oder auch Sadomaso-Sex, solange dies unter Einverständnis geschieht, als positiv und emanzipatorisch betrachtet, da es auch Frauen zusteht ihre Sexualität frei ausleben zu dürfen.
Wir sehen also, dass es nicht den einen Feminismus gibt, sondern viele verschiedene Perspektiven und Standpunkte, die sich zu diesem Thema einnehmen lassen. Außerdem schließen sich diese verschiedenen Formen des Feminismus gegenseitig nicht aus und man kann sich natürlich auch mit mehreren dieser Strömungen identifizieren. Wusstet Ihr das es so viele unterschiedliche feministische Strömungen gibt? Mit welchen dieser Strömungen könnt Ihr Euch am besten identifizieren? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!
Für die Lesebegeisterten:
Artikel von watson.ch: «DEN» Feminismus gibt es nicht! Hier sind 10 ganz unterschiedliche Strömungen
Tanja Carstensen & Melanie Groß (2006): Feminismen: Strömungen, Widersprüche und Herausforderungen
Margret Karsch (2016): Feminismus: Geschichte – Positionen
Einen schönen Tag wünschen Euch
Michelle und das Team des Frauennotrufs Trier